Am Samstag den 07. Dezember 1939, abends 18.50 Uhr, schlug die Schicksalsstunde des deutschen Panzerschiffes ” Admiral Graf Spee “. 14 000 km fern der Heimat, in der Mündung des Rio de la Plata, vor Montevideo, versenkte die Besatzung ihr stolzes Schiff, nach 104 tätiger erfolgreicher Kaperfahrt. Draußen vor der La Plata Mündung, wartete indessen die Meute auf den fast sicheren Fang, dem man in der uruguayischen Hafenstadt Montevideo einen 72 stündigen Unterschlupf versagt hatte.
Die Besatzung jedoch trieb während dieser Zeit bereits auf kleinen Booten über die 200 km breite La Plata Mündung, dem argentinischen Hafen Buenos Aires, einem ungewissen Schicksal in der Internierung entgegen, während der Kommandant, Kapitän zur See Hans Langsdorf, wenig später seinem Schiff in den Freitod folgte.
Unter den rund tausend Besatzungsmitgliedern im Emigrantenasyl, interniert wurden, befand sich auch der Maschinen – Obergefreite Adolf Zimmer. Ende März wurde der größte Teil der Besatzung ins innere des Landes, nach Santa Fe` Rosario und Cordoba verschickt. Adolf Zimmer landete zuerst in Cordoba, 1000 Km von der Atlantikküste entfernt. Nach den ersten Monaten, die dieser Teil der Besatzung im Gefängnis von Cordoba in Gewahrsam war, trat eine merkliche Erleichterung ein. Sie wurden, wenn auch unter Aufsicht, in Hotels untergebracht. Hier reifte bei vielen der Gedanke zur Flucht. Der unbändige Freiheitswille ließ jedoch manches Besatzungsmitglied die nötige Vorsicht vergessen – kaum ausgebrochen wurden sie schon wieder gefasst und auf die Insel Mandicasa deportiert, von dort aber gab es kein Entrinnen mehr. Deshalb durfte nichts überhastet, alles musste bis ins kleinste vorbereitet und alle Schwierigkeiten einkalkuliert werden. Jeder Fluchtverdacht musste vermieden werden, war doch auf jedes entflohene Besatzungsmitglied eine Kopfprämie ausgesetzt worden und welcher arme Indio oder welcher habgierige Estanciero wollte sich dieses Geld nicht verdienen.
Endlich am 01. Januar 1941, nach 12 monatiger Internierung, war es so weit. Einen Pass von einem deutschen Ansiedler – der ihn später als verloren meldete, und der mit größter Sorgfalt nachgefälscht worden war, sowie einige hundert Pesos in der Tasche gelang es Adolf Zimmer sich unbemerkt aus dem Hotel zu stehlen und wenig später saß er schon im Zug Richtung Chile.
Aus dem ehemaligen Maschinen – Obergefreiten Adolf Zimmer, Besatzungsmitglied des deutschen Panzerschiffs „ Admiral Graf Spee „ war der Kaufmann Gustavo Bergemann, wohnhaft in Buenos Aires, seit 1935 in Argentinien ansässig, geworden. Gustavo Bergemann hatte eine lange Reise vor sich. Er wollte nach Chile an die Pazifikküste, von dort mit einem Schiff nach Japan. Dann über China, die Mandschurei, Russland – das damals noch nicht im Kriege stand – nach Deutschland. Eine Reise fast um den ganzen Erdball, 40 000 Km, mit dem Zug, mit dem Auto, auf Schiffen, Pferderücken und Hundeschlitten, um die Heimat wieder zu sehen.
Doch bereits nach 1000 Km schien die Reise vorerst zu Ende zu sein. In Mendoza am Fuße der Anden, stellte die argentinische Geheimpolizei fest, dass der Kaufmann Gustavo Bergemann ohne Certifikate di residencia reiste. Ein wichtiges Dokument, ohne dass er die chilenische Grenze nicht passieren konnte. Zum Glück stellte dieselbe Behörde aber nicht fest, dass den Stempeln im Pass des Gustavo Bergemann mit Bügeleisen, Löschpapier und anderen kleinen Hilfsmitteln etwas nachgeholfen war und lies ihn wieder laufen. Fünf Wochen Aufenthalt auf einer Hühnerfarm bei Mendoza genügten, das so wichtige Papier durch Vermittlung eines anderen deutschen Ansiedlers namens Engelmann zu bekommen. Als dann der chilenische Konsul in Mendoza arglos seine Unterschrift auf die nun von der argentinischen Polizei selbst ausgestellten Papiere setzte, stand dem Grenzübertritt nach Chile nichts mehr im Wege. Mit einem englischen Touristentransport – die sicherste Gewähr gegen Kontrollen – fuhr er über die Anden, kam am 08. Februar in Santiago an und stand tags darauf erstmals am Strande des Pazifiks, in Valparaiso, der ersten Etappe seiner großen Reise.
Eigentlich verlief bisher alles zu programmmäßig, um gut auszugehen. Schon stellten sich erneut Hindernisse in den Weg.
Die chilenische Behörde war inzwischen recht misstrauisch geworden gegenüber den deutschen Auswandern, vermutete man doch in allen flüchtigen Besatzungsmitglieder der Spee. Einigen war vorher bereits die Flucht gelungen, verschiedene konnten auch an Bord japanischer Schiffe untertauchen, doch die vermutliche Freiheit ließ andere wieder übermütig werden – und prompt kassierten Einheimische die Kopfprämien. Kein japanisches Schiff konnte mehr ohne verschärfte Kontrollen Chile verlassen. Deshalb hieß es vorerst einige Zeit verstreichen zu lassen, mangelnde Ereignisse würden auch die Wachsamkeit der chilenischen Behörden einschläfern. In Valparaiso aber war der Boden zu heiß geworden, um sich dort länger als unbedingt nötig aufzuhalten. Sicherste Gewähr gegen das Entdeckwerden war der Aufenthalt im Innern des Landes möglichst weit weg von der großen
Hafenstadt. Als Landstreicher, Tierbändiger, Gaucho, Mechaniker schlug sich Bergemann durch, bis er endlich als Majordomo – Personalchef bei einem deutschen Estanciero in Osorno, 1000 Km von Valparaiso entfernt, landete. Doch der Neid und das Misstrauen eines chilenischen Lehrers ließen ihn nicht lange auf dieser Estancienda verweilen. Bergemann wurde rechtzeitig gewarnt und konnte bei Nacht und Nebel dem Zugriff der chilenischen Polizei entgehen.
Wo ist man am sichersten vor Nachstellungen? In der Höhle des Löwen! Also suchte Bergemann als Mechaniker Arbeit und Unterkommen bei einem chilenischen Regierungsabgeordneten. Hier wollte er sich nun das Geld verdienen für die lange Reise zurück über den südamerikanischen Kontinent, denn an eine Flucht über den Pazifik war nicht mehr zu denken – Russland stand mittlerweile im Kriege gegen Deutschland. Endlich nach acht Monaten war es soweit, er konnte sich ohne Hemmungen in den Südexpress setzen, und nach vier Tagen Bahnfahrt stieg er in Buenos Aires, wo er fast zwei Jahre zuvor in die Internierung gegangen war, aus dem Zug.
Das Glück steht dem Unverzagten zur Seite. Bergemann brauchte sich kaum zu bemühen, schon hatte er wieder Anschluss an eine deutsche Familie, die früher in Spittel beheimatet war.
An wen wendet man sich, wenn man ohne Geld in der Fremde sitzt und in die Heimat möchte? An das deutsche Konsulat! Und wen traf er dort? Seinen ehemaligen 1. Offizier als Konsulatsbeamter. Mit Geld und guten Ratschlägen versorgt, suchte er die Stätten auf, wo am ehesten Anschluss an Seeleute zu finden ist und wo es die besten Tipps für eine heimliche Überfahrt nach Europa gibt; die Hafenkneipen von Buenos Aires. Dort traf er auf einen Funker eines spanischen Frachters, der ihn nach der zweiten Flasche Whisky und nachdem einige Pesoscheine den Besitzer gewechselt hatten, in der Nacht zum 07. Januar 1942 auf das spanische Schiff schmuggelte, und in einer großen Kiste, in der die Schwimmwesten aufbewahrt waren, versteckte. Gustavo Bergemann brauchte sich nicht einsam zu fühlen, denn der spanische Funker verstand es gut, sich nebenher noch ein paar Pesos zu verdienen.: In derselben Kiste hatte er schon ein weiteres Besatzungsmitglied der Spee versteckt.
Aus den vorgesehenen drei Tagen Aufenthalt des Schiffes in Buenos Aires wurden fünf Tage. Fünf Tage und Nächte mussten die Beiden auf engstem Raum in tropischer Hitze in der Kiste schmoren, kaum dass sie es wagen konnten, nachts den Deckel ihres freiwilligen Gefängnisses etwas anzuheben, um frische Luft zu schnappen. Fünf Tage ohne Essen und Trinken. Als sie am fünften Tag endlich die Schiffsmaschinen stampfen hörten, wagten sie sich einige Stundenspäter mit steif gewordenen Gliedern aus ihrem Versteck, schlichen zur Funkbude und ließen sich von dem Funker – der natürlich von nichts wusste – als ertappte blinde Passagiere zum Kapitän führen .Auch die schlimmste Schimpfkanonade, das größte Fluchkonzert aus einer Kapitänskehle kann einen in einem solchen Augenblick nicht mehr erschüttern. Nachdem der Kapitän sich einigermaßen beruhigt hatte, war ihr einziger Wunsch: den ausgelaugten Körper zu sättigen, trinken und nochmals trinken, was über die ausgedörrten und aufgerissenen Lippen geht.
Noch einmal sollte die Flucht in Frage gestellt werden, noch einmal drohte das Gespenst einer endlosen Gefangenschaft, als nach18tägiger Seefahrt vor der afrikanischen Küste plötzlich ein englischer Zerstörer auftauchte. Der wackere Funker hielt dicht, verriet nicht seine blinden Passagiere und wünschte dem englischen Kriegsschiff gute Fahrt und viel Erfolg auf seiner Jagd nach Deutschen. Endlich, am 29.Januar, kamen die Kanarischen Inseln in Sicht und wenige Stunden später wurden die beiden Weltumfahrer von der spanischen Hafenpolizei von Bord geholt und das deutsche Konsulat in Las Palmas verständigt. Eine Woche später durfte der ehemalige Masch. – Obergefreite Adolf Zimmer mit einem Pass des deutschen Konsulats als Schiffsmechaniker Frederico Brauer das Flugzeug Richtung Madrid besteigen. Ein Motorschaden zwang noch einmal zur Zwischenlandung in dem nordafrikanischen Tetuan und nach einem Flug über die englische Festung Gibraltar entbot am 06. Februar der Marine Attache` in Madrid den beiden Ausreißern seinen Willkommensgruß in Europa.
Zwei Tage Aufenthalt in Madrid, dann Bahnfahrt durch Spanien, Frankreich nach Deutschland und am 12. Februar 1942 – ein Jahr und 43 Tage nach der Flucht aus Cordoba – meldete sich das ehemalige Besatzungsmitglied des deutschen Panzerschiffes „ Admiral Graf Spee „ der Masch. Obergefreite Adolf Zimmer, alias Kaufmann Gustavo Bergemann alias Schiffsmechaniker Frederico Brauer in Berlin beim OKM ( Ober – Kommando-Marine zur Stelle.
Die abenteuerliche Flucht unseres verstorbenen Mitgliedes Adolf Zimmer aus Südamerika